Unser Aufenthalt in Inan-Itah, in der lokalen Indianersprache für Mann und Frau, selbstbezeichnend eine erden-basierte spirituelle Community auf der Insel Ometepe im Nicaraguasee zwischen den Feuer- und Wasservulkanm, ist von ebenso großen Gegensätzen geprägt.
Das Konzept eines abgeschiedenen Ökodorfs am fruchtbaren Fuße eines Vulkans mit nachhaltigem Permakulturanbau für die vegane Gemeinschaftsküche, gepaart mit Zero-Waste und spirituellem Kommunenleben mit Yoga, Meditation und Cacao-Zeremonien war genau die gesuchte Abwechslung für uns nach 10 Monaten „gewöhnlichem“ Backpackerleben. Und so haben wir uns für knapp 2 Wochen dem gesunden Gemeinschaftsleben verschrieben. Und GESUND wir hier groß geschrieben: keine Drogen, kein Alkohol, keine Zigaretten, kein Fleisch, keine Milchprodukte, noch nicht einmal verarbeitete Rohstoffe, rohe und unverpackte Zutaten aus dem Garten oder von einen der Nachbarfarmen müssen es sein, dementsprechend sind die verfügbaren Kochzutaten überschaubar. Gemeinsam werden in 2er Teams die Mahlzeiten zubereitet, die tatsächlich unsere Erwartungen weit übertroffen haben. Von Kürbisspagetthi-Pesto über scharfen Green-Mango-Salat (unser Kochbeitrag) bis hin zu homegrown Banane mit selbstgemachten Nutella war das Essen so abwechslungsreich, dass wir zumindest für 2 Wochen nicht merkten auf was wir verzichten (mussten). Und weil alles frisch von der Insel geerntet wurde und selbst der Abwasch mit der Asche des Holzofens und organischem Luffaschwamm gemacht wurde, gab es uns wirklich ein gutes Gefühl keinen Müll während unseres Aufenthaltes produziert zu haben!
Den (All)Tag bestimmten die Tageszeiten, so startete man bereits um 6 Uhr mit Meditation und Yoga in den Tag, nach dem Frühstück gab es Zeit sich zurückzuziehen oder die Sonne anzubeten, wenn sie sich währrend der Regenzeit mal zeigen wollte. Am Nachmittag wurden einige Workshops angeboten, die intensivste Erfahrung war in jedem Fall das „biodynamic breathwork“. Dabei versetzt man sich nur durch Atmung in einen ekstatischen Zustand um durch Schmerzen Traumatas loszulösen. Die Erfahrung war erstaunlich, nur über die Atmung den eigenen Körper zu verkrampfen und in einen Dilirium-Zustand zu fallen und echte Schmerzen zu spüren. Sicherlich das Gegenteil von entspannend, aber eine neue Körpererfahrung!
Abends wirds sich nochmals zum gemeinsamen Abendessen getroffen und ab 8 Uhr gehts für die Meisten ins Zelt, für uns glücklicherweise in unseren bescheidenen Bungalow. Am Wochenende geht es etwas wilder zu, wenn Freitags zur Cacao-Zeremonie geladen wird. Im Kakaorausch wird je nach Motto ekstatisch getanzt oder Disneys Aladin gekuckt. Samstags ist im Nachbarhostel Feuertanz angesagt. Der nicht ganz ungefährliche 45 minütige Fußweg über Stock und Stein machen Holzofenpizza (mit Käse!), Feuershow, Elektrobässe und das ein oder andere kühl ersehnte Bier wieder wett!
In der Natur zu leben bringt, neben fantastischer Aussicht und einem tropischen Garten Eden, natürlich auch allerlei Verzicht (auf gewohnten Luxus) mit sich. Abgesehen vom Generator, der lustigerweise lediglich für den Mixer angeschaltet wurde, gab es nur Licht in der Küche und den Hauptgebäuden aus Solarstrom. Dementsprechend war es duster und oftmals heiß in unserer Hütte, welche aus Naturmaterialen und Plastikflaschen, vollgestopft mit nicht verwertbarem Müll, zusammengebaut sind. Zumindest konnten wir den Luxus einer eigenen Außendusche zur Abkühlung unser Eigen nennen. Mit unseren lieben Mitbewohnern, einer süßen Fledermaus und Geckos haben wir gerne unsere Unterkunft geteilt, mit dem Wespennest konnten wir uns gerade noch arrangieren, die Moskitos hatten allerdings unterm Moskitonetz Hausverbot! Gegen die Sandfliegen ist man hingegen absolut machtlos und kann sich einzig in Achtsamkeit den Juckreiz zu unterdrücken üben…
Der Toilettengang war auch eine anfängliche Herausforderung, die Wahl besteht aus Stehklo mit Maden oder Plumpsklo mit Kakerlaken, welche beide die menschlichen Exkremente mit Hilfe der Insekten innerhalb von 6 Monaten in Dünger umwandeln. Die ersten Toilettenbesuche zogen bei mir psychische Verstopfung nach sich, mit der Zeit wurde die Anspannung etwas losgelöster.
Von Insekten nicht genug, wurden wir aufgrund der Regenzeit auch noch von unzähligen Fliegen überfallen, die sich mit Vorliebe beim Meditieren auf die Stirn setzen. Aber das ist nichts gegen die Dreistigkeit der unzähligen Ratten, deren Lieblingsgericht laut Aussage einiger Langzeitbewohner benützte Unterhosen sind. Deren zahlreiches Auftretten haben sie vor allem den 6 Community-Hunden zu verdanken, welche die für die Nagetierjagt und Kuschelfaktor bestens geeigneten Katzen, kurzerhand umgebracht hatten. Der Jagttrieb ist ihnen allerdings nicht zu verübeln, schließlich müssen sich die Vierbeiner ebenfalls des Zweibeiners auferlegten vegetarischen Diät unterziehen. Zu guter Letzt gibt es noch das wohl glücklichste Schwein Nicaraguas, Concho. Seit 10 Jahren wird es von den Überresten der Veganer genährt, ohne jemals in Gefahr zu kommen, den fleischlichen Gelüsten seiner Ernährer ausgesetzt zu sein.
Soweit schon abenteuerlich genug, kamen noch die äußeren Umstände der politisch-sozialen Krise in Nicaragua hinzu. Kurzgesagt ließ der linke Präsident von Nicaragua auf unbewaffnete Studenten schießen, was innerhalb von 6 Wochen zu einem Volksaufstand gegen den Ortega führte. Straßen wurden blockiert, Rathäuser abgebrannt und es wurde leider noch immer auf Demonstranten geschossen. Wir waren auf der wahrlich friedlichen Insel relativ sicher, so dass wir unsere Wartezeit, ob es nicht doch zu einer (friedlichen) Revolution kommen sollte, ganz gut mit dem Aufenthalt in InanItah verbinden konnten. Da jedoch kaum Touristen mehr ins Land kamen, waren wir die Vorletzten, welche der 20-köpfigen Community beigetreten sind. Daher und aufgrund unserer ersten Erfahrung in einem Community-Dorf haben wir einige Zeit gebraucht, um uns einzufinden und erste Kontakte zu knüpfen. Das Konzept des Individuums, welches geheilt werden muss, fiel uns als glückliches Ehepaar, die mit offenen Augen die Welt erkunden und seit knapp 10 Monaten durchgehend aneinander kleben, etwas schwer zu akzeptieren. Und obwohl des Gemeinschaftslebens waren viele der Communitybewohner eher mit sich selber beschäftigt, was uns überraschte, aber in gewisser Art und Weise vielleicht auch Sinn macht. In jedem Fall hatten wir das Gefühl, dass Jedem der Aufenthalt in dieser fast perfekten Welt/Blase scheinbar sehr gut getan hat und darauf kommt es letztendlich an. Wenn auch da draußen die Wirklichkeit wartet, die uns allzuschnell wieder eingeholt hatte. Eine Entspannung der politischen Lage schien nicht in Sicht und nachdem es zu Benzin und Lebensmittelknappheit gekommen ist, haben wir uns schweren Herzen von unsere weiteren Nicaraguareise verabschiedet um im ehemaligen Bürgerkriegsland El Salvador, einem zum Glück inzwischen sichererem Pflaster aufs Neue ein Fleckchen Erde unserer Welt zu erkunden…
Angekommen im Surferörtchen San Juan del Sur, Nicaragua Unsere Kolonial-Hotel mit Balkon und Ausblick für 10 €/Nacht Unsere kreischenden Nachbarn gabs umsonst dazu! Es schüttet wie aus Eimern Hält die Demonstranten allerdings nicht davon ab gegen Ortega zu demonstrieren! Weiter gehts auf Isla Ometepe mit seinen beiden Vulkanen Angekommen in der entlegenen Inan Itah Community Das Gemeinschaftshaus Naturpool mit Ausblick Chlorfreies Poolwasser schmeckt auch der Kuh von der Nachbarweide Entspannen ohne Ablenkung… … Aha erwischt (Moritz ist hinter der Kamera!) Der Tempel Perfekter Ort zum Meditieren Unsere Hütte gebaut aus überflüssigem Plastikmüll, Lehm, Holz und Palmenblätter Bananenblüte vor unserer Hütte Permakulturgarten fürs das Communityessen Kill the Coconut! Mangoernte Unser Abendessen: Spicy Mangosalat AgroYoga Katja gibt den Superman Spontanes Tattoo Sommer Sonne Kaktus Das Schwein Concho braucht ne Abreibung! Ein letztes Mal die Aussicht genießen Damals war noch alles in Butter was Daniel?! Heute streikt das ganze Land gegen Dich! Mit dem Taxi aufgrund der Straßensperren auf Nebenstraßen nach Managua um raus aus Nicaragua zu fliegen